Unfairer Wettbewerb: 240 Millionen Euro Extrakosten pro Jahr für INEOS in Köln
Als Teil der chemischen Industrie, die energie- und CO2-intensiv ist, weist INEOS in Köln seit geraumer Zeit darauf hin, dass unser Überleben in Europa massiv gefährdet ist. Der Emissionshandel schränkt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Branche angesichts der extremen wirtschaftlichen Schwierigkeiten enorm ein. Verbände, Gewerkschaften und Vertretende der Chemieindustrie sowie aktuell die SPD-Fraktion des Landtags Nordrhein-Westfalen haben die Problematik erkannt und den Zielkonflikt „Erhalt der Industrie“ und „Emissionshandel“ thematisiert.
Leider beharrt das Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen unter Ministerin Mona Neubaur auf dem eingeschlagenen Weg und lässt Emotionen statt Fakten sprechen. Fakt ist: Die energieintensive Industrie in Deutschland steht unter massivem Druck. Die wichtigen Transformationspfade wie Wasserstoffnetze, Elektrifizierung und Kohlenstoffdioxid (CO2)-Abscheidung (Carbon Capture and Storage, CCS) stehen der Industrie nicht zur Verfügung. Schon jetzt betragen für den Standort Köln die Kosten für Erdgas 100 Millionen Euro pro Jahr mehr als in den USA. Die Stromkosten sind um 40 Millionen Euro pro Jahr höher als in den USA. Und die CO2-Abgaben sind auf schockierende 100 Millionen Euro pro Jahr gestiegen, Kosten die in anderen Regionen nicht anfallen. Das bedeutet, dass INEOS in Köln pro Jahr 240 Millionen Euro zahlt, um überhaupt erst mit Unternehmen aus den USA und China in den Wettbewerb treten zu können.
Die Produkte, die bei INEOS in Köln hergestellt werden, werden für eine Vielzahl von Bedürfnissen benötigt, darunter Medizin, Bauwesen, Verteidigung und sind auch für die Transformation essenziell, zum Beispiel für Windräder, Stromkabel und Dämmstoffe. In 95 Prozent aller Waren des Alltags finden sich Produkte der Chemie. Werden sie nicht mehr in Deutschland hergestellt, weil die Basisindustrie verschwindet, werden sie aus anderen Regionen der Welt importiert. Dies macht uns abhängig und strategisch anfällig gegenüber Nationen außerhalb Europas, was unsere Wirtschaft und Souveränität gefährdet. Zudem ist dem Klimaschutz nicht geholfen: Die Produkte aus anderen Regionen der Welt haben einen höheren CO2-Fußabdruck, werden unter weniger strengen Nachhaltigkeitsauflagen hergestellt und legen weite Strecken per Schiff und Flugzeug zurück.
Was wir als Industrie nun brauchen, ist eine kurzfristige ehrliche Bestandsaufnahme. Der ursprüngliche Ansatz der Transformation beinhaltet den Erhalt der Industrie – das ist nicht mehr gegeben, wie viele Entscheidungen zu Anlagenschließungen in den letzten Wochen deutlich machen. Wir brauchen ehrliche Antworten auf unangenehme Fragen wie zum Beispiel: Sind Konsumierende bereit, einen höheren Preis für CO2-neutrale Produkte zu zahlen? Sind wir als Gesellschaft bereit, den aktuellen Weg weiterzugehen, auch wenn dies zu einem Export von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung sowie CO2-Emissionen führt? Steht der Industrie in Deutschland genug Geld für Investitionen in die Transformation zur Verfügung? Wann ist es der Industrie in Deutschland erlaubt, CO2 abzuscheiden und zu transportieren? Ist die Elektrifizierung eine echte Alternative? Ist ein schwankungssicheres Stromnetz realistisch?
Fakt ist, der Emissionshandel führt offensichtlich nicht zu Transformationsprojekten, insbesondere nicht in den energieintensiven und CO2-intensiven Industrien – auch wenn es sich um ein marktbasiertes System handelt. Die Hauptrouten der Transformation für die chemische Industrie stehen noch nicht zur Verfügung. Es fehlt an Infrastruktur, technischer Reife, Wirtschaftlichkeit und den rechtlichen Grundlagen. Die Technologie für die Elektrifizierung von Heizvorgängen (z. B. bei Steam-Crackern) steckt noch in den Kinderschuhen. Sollten die Steam-Cracker mit Strom betrieben werden, würde eine vielfach höhere Strommenge benötigt werden, die zurzeit von den Netzbetreibern nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Ein Wasserstoffkernnetz ist zwar geplant, jedoch erst in zehn Jahren spruchreif. Wasserstoff ist ein teurer Energieträger, dessen Herstellungskosten ein Vielfaches von Gas beträgt. Die Abscheidung und der Transport von CO2 (CCS) ist in Deutschland verboten. Es gibt bislang weder eine rechtliche Grundlage für CCS in Deutschland noch für den Export von CO2 ins Ausland. Zudem ist die Infrastruktur für den Transport von CO2 zum Beispiel über Pipelines noch nicht installiert – unsere Nachbarländer treten dafür in Vorleistung.
Unternehmen agieren auf Basis der langjährig etablierten sozialen Marktwirtschaft zum Wohle der Beschäftigten. Die ursprüngliche Idee des Emissionshandels funktioniert nur, wenn alle Marktteilnehmenden mitspielen. Das Europäische Emissionshandelssystem (European Emissions Trading System, EU ETS) gilt nur in der Europäischen Union und verzerrt den globalen Wettbewerb. Es erreicht seine Ziele nicht, stattdessen zerstört es die europäische Industrie, verlagert Produktion, Arbeitsplätze und Emissionen ins Ausland und macht Deutschland anfällig für kohlenstoffintensive Importe aus China und den USA. Es ist dringend erforderlich, die Energie- und CO2-Abgaben in Europa an den Rest der Welt anzupassen und einseitige Zölle in Frage zu stellen. Geschieht dies nicht, sind die Arbeitsplätze von 1,2 Millionen Menschen direkt und fünf Millionen Menschen über die gesamte Lieferkette in der Chemieindustrie gefährdet. Auch der bislang seitens der EU geplante Klimazoll (CBAM) wird für die Chemieindustrie mit ihren vielen Wertschöpfungsketten nicht funktionieren und Anlagenschließungen in Deutschland und Europa nicht verhindern.
Nachhaltigkeit beruht auf drei Säulen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Bis dato ist die Nachhaltigkeit zu einseitig auf das Ökologische – und dabei ausschließlich auf das Thema CO2 – bezogen worden. Es ist an der Zeit, die Bereiche Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung stärker zu berücksichtigen, damit der erreichte Wohlstand und der soziale Frieden in unserem Land weiterhin Bestand haben.